ERNTEDANKFEST - von Jack Thiessen

"Seid dankbar in allen Dingen" steht oft als Ermahnung in der Schrift. Und dieser Text passt auch gut zum Erntedankfest, ist mir aber ein klein wenig peinlich, wail ich in meinem langen Predigerdienst so viel Gutes und Treestliches erfahren habe, aber als Folge der letzten Predicht fier Haite hat es diesmal aber auch ein wenig Hagel von Oben gegeben. Meine Gattin Njuta hat mich bereits am Sonnabendabend als ich ihr meine Gedanken in Demut und Schlichtheit, wie es sich so für einen demietigen Handlanger im Weinberge des Herrn gehiert, vortrug mit steilen Zeigefinger leise ermahnt; sie liess ihren Finger leise und sacht wackeln und sprach wie folgt. Sie sagte: "Hans, Du fängst an so zu sprechen, wie ein Bibelschulschieler aus dem stolzen Providence, oder aus dem kleingemeindschen Offenbarungskalledge zu Steinbach, die hier wie auch genau in die letzte Zeit in Russland vor Kraft und steilen Ricken des Hochmuts sich nicht bicken konnten und nicht arbeiten wollten, und vor lauter grosse Worte keine Glaubwirdijchkeit zu Stande brachten."

"Auch darfst Du niemals nicht die Gemeinde erzählen, dass Du nur noch zwei Predijchten fahren lassen willst, lieber Hans, und dann Schluss zu machen vorhast, weil Du damit dem Vater im Himmel in sein Plan futscht, und du mit solchen Erhebungen von Deinen Absichten dem Vater dort oben woomeijlich jehierich einergern wirst. Und wenn Er dann doll ist, und sich auf seine Art und Weise melden wird, dann wirst Du dich sehr wundern. Also pass sehr auf, mein Mann und mein Gebieter," so hat sie zu mir am Friehstickstisch zusammen mit ihr Mahnfinger gesprochen.

Als wir dann in unserem Buggy so jemietlich hier zum Gotteshaus piljerten, und unsere Kobbelchen Maschka dann so mässich in ihre Jedankenwelt verloren mal wieder vor sich hintrabte, hat meine Gattin Njuta noch einmal nun schon unterwegs mit eine weitere Ermahnung des Wortes ausgehohlt. Sie sprach: "Es ist nur gut, dass Du, mein lieber Mann und Ausleger des Wortes, dich nicht nach die letzten Moode verteidigst, denn wenn gegrommte Ausleger des Wortes mit Worten des Hochmuts den Menschen und den lieben Gott kommen, schämen sich alle Beteiligten. Das sind nur schiefe Ausreden, und solches wissen nicht nur wir Frauen! Und jetzt wollen wir in Frieden fahren!"

Liebe Geschwister hier versammelt. Meine Gattin Njuta hat mir dann erzählt, dass es nicht angenehm ist, wenn ein Ermahner von die Kanzel aus so anfängt zu sprechen, nicht wie ein bescheidener Diener am Wort, der mit sein Pferd auf dem Pfad zur Ewichtjeit auf einen schlichten Buggy fährt, sondern wie ein steifhalsiger stolzer amerikanischer Seelenmanager, der nach die letzte Moode in eine dicke Karre des Fuurdmodels durch die Gegend brummt. Und sich dann noch einbildet, dass man in die Ewigkeit ohne die daitsche Sprache auskommen kann. O!O!O! liebe Geschwister solche Werter schringen doller in die Seele als ein Peitschenhieb!

Ich will also an diesem Erntedankfest main Meejlichstes tun, diesen Fehltritt einzurenken, denn was ein Zurechtmacher mit den Knochen macht, soll der Seelsorger mit die Seele tun.

Also werde ich nicht mehr so sprechen und beleibe auch nicht predigen wie ein Bibelschieler, der vor lauter Altnasigkeit nur noch einen getriebten, muzhrigen Seelenblick hat, das ist mein Vorsatz, ihr Lieben!

Also wollen wir uns gemeinsam von die Bank des Faulenzens an Geist und Kerper erheben, und mutig dem breiten Weg der Bequemlichkeit den Ricken von hinten zeigen.

Als ich dann hier unsere Maschka an dem Wollm hier vor die Kirche anband, und ich meine Gattin Njuta so ein bisschen aus dem Buggy half, sagte sie noch, so halb im Flisterton zu mir: "Hans, es ist ja schlimm genug, das halb Grienthal und mehr als die halbe Welt sowieso nach Hollywood will, also tust Du gut, Hollywood da zu lassen wo Hollywood ist: in die Krallen des Teufels, haben wir uns verstanden?"

Meine Antwort mal wieder in grosser Demut ausgesprochen war: "Ja!"

Und nun zum Thema der Dankbarkeit. In etwa drei Monaten steht das Weihnachtsfest vor die Tier, und dann wollen wir genau das machen wie heute, nur umgekehrt: Denn am Weihnachtsfest hofft Unserainer auf ein grossen Sack mit viel Geschenke, aber heute zum Erntedankfest wollen wir ein grossen Sack vor unsere Fantasie aufmachen und in diesen leeren Radnasack wollen wir mal zusammen all die wichtigsten Dinge einsammeln und hineinstopfen, so wie es sich das an diesem Tag geziemt. Und dann wenn wir den dicken Sack so scheen vollgeprommelt haben, dann wollen wir ihn dahin stellen, wo der Inhalt den meisten Segen anrichten kann, und in diesem Sinne das Fest des Dankes fier die Ernte besingen und davon riemlich berichten.

Wenn wir uns haite besinnen, was fier Geschenke in den Sack voller Dank gehieren, dann wäre wohl doch als erstes und immer wieder ein Dank an die Reihe, dass so viele unserer Geschwister, so lange in Schmach und Elend in Russland leidend nun mang uns in Frieden leben. Und wenn ich mang uns sage, dann meine ich genaus das, und nicht im reichen Amerika, wo so viel von Demokratie von den Buschjungens geredet wird, dass ihnen und auch uns der Blick fier die Freiheit des Christenmenschen ganz muschrich und doff geworden ist.

Was weiteres in den Erntedanksack gehiert ist, dass wir hier in Grienthal mal wieder einen scheenen Frieden im Geistesleben feiern dirfen. Damit will ich sagen, dass wir in unsere späte Jugend sozusagen alle zusammen doch recht viel Eintracht und Harmonie im Namen des Herrn hierzulande genossen haben. Damals als die Chortietzer dort am anderen Ende des Dorfes beschaiden ihre Einstimmichkeit lange ausgedehnt durch die Nase so vor sich hinsangen, und wir Russlender schon ein Klavier erlaubten ging es trotz allem freulich und friedlich weiter. Wenn sie dort auch weder Weihnachtsbaum noch Weihnachtsmann hatten und auch keine Sonntagsschule, knauserte der himmlische Vater doch nicht mit sein Segen. Als dann aber die Bergthaler mit einmal von allen Seiten und Kanten dort in die Spencergegend sich so sehr braitmachten, wollte manchmal der gettliche Frieden unter uns hinken. Ja, ja, diese Geschwister hatten es mit ihre Bekehrungen und ihre Art des Christentums so drock, dass sie dabei manchmal ihre Menschlichkeit vergassen. Solches wussten und kannten wir ja noch aus die alte Heimat, wo die Briedergemeinde jedes zweite Jahr auch junge Menschen die Seele und den Kopf drall drehten.

Als hierzulande dann die Bergthaler hier rundum Grienthal in tiefer Nacht anfingen mit roote Farbe auf den groosen Steinen Bibelverse zu pinseln, wollten sie haben, wir Russlender, und wohl auch die Chortietzer sollten denken, dass der liebe Vater im Himmel uns des Nachts perseenlich heimlich eingrulen wollte. Und dann geschah es aber, dass Bruder Klassen seine Frau Lena in einem alten Fuurd Model A von Brauns aus Altbergfeld geliehen zum Hospital fahren musste, weil Lena ihre Zeit gekommen war. Und als sie dann von die Gnadenfelder Linie auf die Winnipegsche Lein drehten, sahen sie im Licht der tiefen Nacht den Prediger Friesens ihr Cornie, den man dann später Koofa nannte, wie er da "Also hat Got die Welt jelovt..." auf einen gewaltig groosen Stein pinselte und dann noch versuchte auszukneifen. Dann hat aber Braunens ihr Peter den Cornie an die Britches zu halten bekommen, und ihm im Namen der Dreieinigkeit die Bicksen ausgestoben.

Dann hatten wir wieder den Frieden, der da heeher ist als alle menschliche Vernunft zurickeroobert. Gott sei Dank!

Also wollen wir ruhig diesen gettlichen Streich auch in den Sack der Dankbarkeit hineinpacken. Wir wollen aber bei all dieses Vollpacken des Dankessackes nicht vergessen auch die nicht begangenen Unterlassungssinden zu erwähnen. Zum Beispiel sind Glieder und Mitglieder verschiedner Gemainden hier rundum auf den gottloosen Gedanken gekommen, das Reichtum ein Zaichen von Gottes Gnade und Giete ist. Liebe Geschwister: weit, weit gefehlt! Mitnichten! Ja, ja, diese Irrlehre ist besonders Moode geworden, und nicht nur wail die Bergthaler durch groosses Geld fier ihre Hiehner und Schweine auf Prosperity Gospel Gedanken gekommen sind. Ja, als wenn der himmlische Vater, der in die ganze Bibel gespickt voll Warnungen mahnt, dass die Liebe des Geldes die Wurzel alles Iebels ist nicht auf uns Mennoniten, also die Juden des Neuen Testaments, zutrifft!

So, und weil wir so langsam den Sack voll haben, mechte ich bevor wir ihn zuschnieren sagen, dass wir, wenn wir erwachsene Christen mindich werden wollen, den Unterschied zwischen kinstlich und kinsterlisch kennen lernen sollten, damit wir einen besseren Sinn fuer das Echte, also das Gettliche an allen Ecken und Kanten kennen lernen, damit wir nicht wie die Amerikaner nur nach Geld und leeren Ruhm trachten, der dann noch auf dem TV in alle Welt als Muster hinausposaunt wird!

O ja! Ganz oben im Sack wollen wir dann auch noch und zu guterletzt die guten Vorsetze legen, und diese sind dann ganz schlicht und einfach: die Kinstler in unsere Mitte heeher zu halten als die Geschwister mit angeschwollene Dollarfuppen. Denn die Kinstler, also die kreativen unter uns sind wohl die einzigen, die, wenn ieberhaupt, Ähnlichkeit mit den Schepfer aller Dinge haben.

Und jetzt wollen wir ruhich und jetroost den Sack des Erntedankfestes zuschnieren und ihn zum Segen Vieler unter den Armen demietich im Namen der Dreineinichtjeit vertailen! Darin wird dann schon von alleine die Dankbarkeit aller Dinge offenbart!

Amen!

Wir singen baim Kollekteheben des Erntedankfestes alle Stroophen von dem Lied "Garben bringet ein!"


© 2007 Jack Thiessen