Liebe Gemeinde,

Genau wie meine Gattin Njuta schon immer gesagt hat, ist es nun auch gekommen. Sie sagte immer: "Ja, lieber Mann und Gebieter, Freund Vieler und Seelenhirt der Kinder Gottes, wenn man alt werden will, dann muß man lange leben. Und siehe, sie hatte recht, denn ich wurde diese Woche am Mittwoch zu der Morgenstunde achtzig Jahre alt. Wer hätte das gedacht?"

Ja, und dann hat meine Gattin beim Kaffeetisch noch zu mir gesagt: "Weißt Du auch was, Hans, Dich hat es schon oft jejankert mal ein klein wenig Spaß von die heilige Kanzel vorzutragen, und ich meine dies eine Mal darfst Du es ruhig wagen, denn Du wirst ja nicht jeden Tag runde achtzig Jahre alt! Denn wenn ich Dir die Erlaubnis gebe, dann ist der liebe Gott auch mit mein Urteil einverstanden, und dann wird schon alles in die richtige Bahn gleisen. Also versuch es doch mal, und dann werden wird ja sehen, was dabei raus kommen wird, ja?"

"Ja" sagte ich, und weil ich in der Tat mit meinem ein wenig unartigen Janker nur einmal vorher Spaß getrieben habe, will ich dann mal versuchen, wie mein Gedanke sich in Worte fassen lassen wird.

Also: "Wer nie sein Brot im Bett mit Tränen aß,

Der weiß nicht, wie die Krümlein pieksen."

Das ist also der Text fier die Predicht fier Haite, die vor langer Zeit, ja wohl so lange zurück von dem weisen Salomon geschrieben wurde und vielleicht sogar noch bevor wir Mennisten in die Altkolonie am Nippa übersiedelten. Ja, schon so ungeheuer lange zurück hat der Salomon die Feder in die Hand genommen, sich es in seinem Lehnstuhl macklich gemacht, die Pfeife auf die Seite gelegt, sich die Brille auf die Nase zurecht geschoben, sich die Schlorren angezogen, sich noch ein wenig hier und da geschobbt, vielleicht sogar mit dem Schobbjack sich den Rücken gerubbelt, und dann tief Atem gezogen, dann noch einen letzten Zug aus der Pfeife mit der Tabaksmarke Solomon's Solace genommen, und dann mit hohem Bogen so wie ein fliegender Fischadler seine Feder in das Tintenfaß tief getaucht, richtig tief getaucht, und dann ging es los, um uns Trost und Ermahnung zukommen zu lassen.

Aber ich habe ja gesagt, daß es uns heute darum geht, die uns piecksende Krümlein, die uns im Bett und auf dem Rückengegend und auf dem Gewissen drücken, aus dem Vielerlei des Lebens heraus zu puhlen und zu betrachten, und dann darüber nachzudenken, und sie zu bekennen und somit aus der Welt zu schaffen, dann Buße zu tun, damit mit dem Bußegeld die Schuld tilgen kann, und uns die Krümlein des Brotes nicht länger piecksen und uns im Rücken und im Gewissen lässtig sind, und uns badern.

Ich denke dabei zuerst an einen alten Freund aus der Jugend, der aus Rosenhof, da bei Morris kommt, und dem die Krümelchens und die Bröseln nicht zugegebenen Jankers noch immer drücken und piecksen. Dieser, mein Freund, war ein Heinrich K. Friesen, der immer schon größer hinauswollte als es ihm zustand. Seine Janker des Lüsterns waren die Russländer und die Brüdergemeinde, die er als Kleingemeindler ganz besonders geniessen wollte. Ja, auf deren Wiesen wollte dieser rüstige Jüngling, der grüne Heinrich also, sich mal satt weiden. Das waren sozusagen die Trauben, die diesem Bruder so ganz besonders jankerten. O ja!

Ich will damit nicht sagen, daß dieser Heinrich unbedingt ein Gernegroß war, aber daß er nach die höchsten Trauben im Garten trachtete und sogar lüsterte will ich ruhig behaupten. Ja, so war der Heinrich. Und wie das Leben so ist, ließ der liebe Gott und das Leben an eine andere Ecke der Erde die Enkelin des Buddelbaum Peters gleichzeitig gedeihen, und ihr lange Beine wachsen lassen, und, mit dem frommen Apostel Paulus zu sprechen, ein Mädchen lieblich anzusehen blühen. Und dieses Mädchen, Sinn unserer Betrachtung, die hieß Anna, und war vieles, auch war sie Rußländerin und gehörte zur Brüdergemeinde. Also, ganz nach Wunsch!

Hätte der gute Knabe Heinrich gewußt, was sich da weit ab von ihm abspielte, hätte er sich zur Geduld mahnen lassen, aber wenn man auf Liebe und Vermehrung in der Übergangszeit von kurzen Hosen zu den Langbeinigen, mit langen Lempen also, sich befindet, lässt man sich sehr ungerne beraten, geschweige denn warnen. Was ich damit sagen will ist, daß wenn man in der Buhlenzeit des Lebens vorsichtiger und weiser und nicht so ungestüm handeln würde, dann wäre die menschliche Rasse längst ausgestorben. Ja, wie ein anderer Dichter so richtig sagt: Wenn das Eisen glühend heiß ist, muss der Hammer donnernd eingesetzt werden, damit die Funken richtig fliegen und spritzen. Und das hatte der gute Heinrich, unser Jugendfreund, damals vor. Und wenn man, wie der Heinrich so richtig auf's Loslegen bedacht war, kümmert man sich ein Dripps über eventuelles prickeln der pieksenden Brotkrümeln im Bett.

Es war damals noch Mode bei die Brüdergemeinde, daß einer, der sich zu ihnen gesellen wollte, noch einmal den Weg zur Buße betreten musste, und sich um ernst genommen zu werden richtig, das heißt durch's Untertauchen taufen lassen musste. Und all das tat Heinrich um bei die Brüder ernst genommen zu werden, und um seine Anna wohlgefällig zu werden.

Und eines Tages nach viel Hinundher dann war es soweit und Heinrich und Anna wurden Man und Weib. Russländer war Heinrich noch immer nicht, aber er war nun ein richtiger Bruder, ein fast ganz angekommener Bruder bei die Cadillacgemeinde der Mennoniten, die Brüdergemeinde.

Und Anna, so erzählte Heinrich mir gerne und oft, war ein liebes Weib, wenn sie auch noch von sich aus, manchmal den Traubenzweig ein wenig höher zog; sie krägelte den armen Pinsel einfach aus Lust ihn hoppsen zu sehen. Ja, ja. Für Anna war das ein Spaß, aber für Bruder Heinrich war dies Spiel verhängnisvoll, besonders als Anna dann auch noch von die Krümeln im Bette anderer Männer sich piecksen liess. Und das hatte ja der Heinrich nie und nimmer für möglich gehalten. Oh nein! Zwei derer an der Zahl hat er mir weinend berichtet; halb aus wütender Trauer, und teils als Pucharei, wenigstens so kam es mir vor. "Wenn eine aus der Briedergeinde so etwas macht, ist es dann ieberhaupt noch eine ganze Sinde?" fragte dieser Elendsbruder mich.

Bevor wir uns nun noch die piecksende Krümlein bei ein paar andere zuwenden, muß ich noch berichten, dass Heinrich mittlererweile ein betagter Knabe ist, und sich mit sein Los so einigermassen abgefunden hat. Aber so ganz glücklich, wie er es sich immer so gerne vorgestellt hatte, ist er nicht geworden.

Ein anderer Bruder zur Zeit im Gespräch, ist ein weiteres Mitglied der Brüder, ein Viktor Töws, dazu sogar ein Politiker, aber auch dieser hat jetzt alle Hände voll die Krümlein des pieckens zu suchen und von der Lebensmatratze wegzuwischen! Ja, und seltsamerweise ist auch dieser Bruder Mitglied der Brüdergemeinde, wo der weise alttestamentliche David hoch im Kurs steht, und schon damals wohl das erste Glied der Brüdergemeinde gewesen wäre, denn dieser David hatte auch nicht bloß pieksende Krümlein unter seine Zudecke regelmäßig gesammelt, sondern auch die Bäckerinnen der Krümlein ließ er in seine Kammer sich wolllüstig rekeln.

Aber da kam dem David und auch dem Heinrich Friesen die Stunde grossen Trauers und die gewaltige Beichte, die der Psalmist David in sehr liebliche Gedichte und Psalmen zu Hauf festhielt. Vielleicht, so hat wenigstens der große Theologe Otto Funke und vielleicht ebenfalls der Größten Einer, Hans Harder,in das Tintenfaß getaucht gemeint, haben sich selbst die allerschlimmsten Sünden gelohnt, um solch gewaltige Psalmen dann hinterher zu dichten. Wie und woher Professor Bruder Hans Harder auf solche Gedanken gekommen ist, weiß ich noch immer nicht, auch weiß ich nicht, ob Heinrich K. Friesen, jetzt auch bald ein hoch betagter Kleingemeindler und kränklich ohnehin, angefangen hat Klagelieder von sich zu geben. Seine Anna wird das wohl kaum tun und nicht einmal nötig haben, weil sie es lange mit die Politik drock hatte, und Politker sollen mit ein anderes Gewissen, oder gar keins ausgerüstet ihr Dasein führen auch wenn die Briedergemeindler sind.

Aber, ich muß noch langsam auf die Moral von meine Predicht fier Haite zusteuern, sonst hat meine Gattin Anna mal wieder Recht wenn sie behauptet, daß ich manchmal in meine Predichten auch die Nachbarsfelder bearbeite, statt die Sünder hier zu Hause zu ermahnen und ihnen die Fleischeslust auszutreiben.

Das Ganze von mir haite erwähnte läßt sich eigentlich recht einfach mit dem treffenden Sprichwort "englisch werden" festhalten. Denn nicht umsonst sprechen auch die Hutterischen Brieder und die Amischen sowieso von "englisch werden", welches dann so viel heißt auf den breiten Weg der Weltlichkeit sich zu verbiestern und damit kurz oder lang auf dem shortcut in die Verdammnis pilgern. O ja!

Noch schlimmer, wenn nicht gar viel schlimmer aber ist, daß nun schon lange Zeit das englisch werden noch viel ärger geworden ist indem grosse Menschenmassen amerikanisch werden! Und weil diese Verderbnis so verdammnisvoll-gewaltig ist, werde ich diese ungeheure Katastrophen-Bahn mal kurz und bündig formulieren, damit Ihr, liebe Gemeinde es Euch zu Herzen nehmen sollt, und auch die strauchelnden Brieder wie Heinrich K., seine Gattin Anna und der gefallene Politker Viktor Töws dieses Wort von die Kanzel in tiefe Liebe und große Besorgnis gesprochen zu Herzen nehmen. Und rechtzeitig in da Meer der verzeihenden Gnade noch einmal stürzen und sich noch einmal richtig taufen lassen.

Denn amerikanisch werden heißt nichts weiteres als: Sie, also die Amerikaner sind taubstumme Analphabeten was das Lesen und das Deuten der Menetekel angeht. Genau wie die Bibel es schon immer warnend sagte: Amerika hat die ganze Welt gewonnen, aber ihre Seele dabei verloren. Ja, und da haben wir die piekende Krümlein kiloweise!

Amen!


© 2008 Jack Thiessen